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[ Eng. / Fr. Russ. / Germ. ] [ Signatures ] |
Grundakte
über Gegenseitige Beziehungen, Zusammenarbeit und Sicherheit zwischen der Nordatlantikvertrags-Organisation und der Russischen FöderationParis, 27 May 1997 |
Die Nordatlantikvertrags-Organisation und ihre Mitgliedstaaten einerseits und die Russische Föderation andererseits, im folgenden als NATO und Russland bezeichnet, gestützt auf eine auf höchster politischer Ebene eingegangene dauerhafte politische Verpflichtung, werden gemeinsam im euro-atlantischen Raum einen dauerhaften und umfassenden Frieden auf der Grundlage der Prinzipien der Demokratie und der kooperativen Sicherheit schaffen.
Die NATO und Russland betrachten einander nicht als Gegner. Sie verfolgen gemeinsam das Ziel, die Spuren der früheren Konfrontation und Konkurrenz zu beseitigen und das gegenseitige Vertrauen und die Zusammenarbeit zu stärken. Diese Akte bekräftigt die Entschlossenheit der NATO und Russlands, ihrer gemeinsamen Verpflichtung zum Bau eines stabilen, friedlichen und ungeteilten, geeinten und freien Europas zum Nutzen aller seiner Völker kon kreten Ausdruck zu verleihen. Die Übernahme dieser Verpflichtung auf höchster politischer Ebene stellt den Beginn grundlegend neuer Beziehungen zwischen der NATO und Russland dar. Beide Seiten beabsichtigen, auf der Grundlage gemeinsamen Interesses, der Gegenseitigkeit und der Transparenz eine starke, stabile und dauerhafte Partnerschaft zu entwickeln. Diese Akte legt die Ziele und den Mechanismus für Konsultation, Zusammenarbeit, gemeinsame Entscheidungsfindung und gemeinsames Handeln fest, die den Kern der Bezie-hungen zwischen der NATO und Russland bilden werden. Die NATO hat eine historische Umwandlung in Gang gesetzt - ein Prozess, der fortgesetzt wird. 1991 änderte das Bündnis seine strategische Doktrin, um dem neuen Sicherheitsumfeld in Europa Rechnung zu tragen. Im Einklang damit hat die NATO ihre konventionellen und nuklearen Streitkräfte drastisch reduziert und setzt deren Anpassung fort. Während die NATO sich die Fähigkeit erhalten hat, ihren Verpflichtungen aus dem Washingtoner Vertrag nachzukommen, hat sie ihre politischen Funktionen erweitert und wird dies auch künftig tun, und sie hat neue Aufgaben der Friedenserhaltung und Krisenbewältigung zur Unterstützung der Vereinten Nationen (VN) und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), beispielsweise in Bosnien und Herzegowina, übernommen, um neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen in enger Abstimmung mit anderen Ländern und internationalen Organisationen zu begegnen. Die NATO ist gegenwärtig dabei, die Europäische Sicherheits- und Verteidigungsidentität (ESVI) innerhalb des Bündnisses zu entwickeln. Sie wird die breit angelegte und dynamische Struktur der Zusammenarbeit mit OSZE-Teilnehmerstaaten insbesondere durch die Partnerschaft für den Frieden weiter ausbauen und arbeitet mit Partnerländern an der Initiative zur Schaffung eines Euro-Atlantischen Partnerschaftsrats zusammen. Die NATO-Mitgliedstaaten haben beschlossen, das Strategische Konzept des Bündnisses zu überprüfen, um sicherzustellen, dass es mit der neuen Sicherheitslage und den neuen Herausforde-rungen in Europa voll im Einklang steht. Russland setzt den Aufbau einer demokratischen Gesellschaft und die politische und wirt-schaftliche Transformation fort. Es entwickelt das Konzept seiner nationalen Sicherheit und überprüft seine Militärdoktrin in einer Weise, die gewährleisten soll, dass diese mit den neuen sicherheitspolitischen Realitäten voll im Einklang stehen. Russland hat tiefe Einschnitte in seine Streitkräfte vorgenommen, in beispielloser Weise Truppen aus den Ländern Mittel- und Ost-europas sowie den baltischen Staaten abgezogen und alle seine Nuklearwaffen in sein eigenes Hoheitsgebiet zurückgeführt. Russland ist entschlossen, seine konventionellen und nuklearen Streit-kräfte weiter zu reduzieren. Es nimmt aktiv an friedenserhaltenden Operationen zur Unterstüt-zung der VN und der OSZE sowie an Krisenbewältigungseinsätzen in verschiedenen Regionen der Welt teil. Russland leistet einen Beitrag zu den multinationalen Streitkräften in Bosnien und Herzegowina.
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I. GrundsätzeDie NATO und Russland werden zur Stärkung der Organisation für Sicherheit und Zu-sammenarbeit in Europa (OSZE) beitragen, darunter auch zur Weiterentwicklung ihrer Rolle als eines der Hauptinstrumente für präventive Diplomatie, Konfliktverhütung, Krisenbewälti-gung, Normalisierungsmassnahmen nach einem Konflikt und regionale Sicherheitszusammen-arbeit, und die Verbesserung ihrer operationellen Fähigkeiten zur Durchführung dieser Auf-gaben unter-stützen. Der OSZE als einziger gesamteuropäischer Sicherheitsorganisation kommt eine Schlüsselrolle für Frieden und Stabilität in Europa zu. Im Zuge der Stärkung der OSZE werden die NATO und Russland zusammenarbeiten, um jede Möglichkeit einer Rückkehr zu einem Europa der Spaltung und Konfrontation oder der Isolierung irgendeines Staates auszuschliessen. Im Einklang mit der Arbeit der OSZE an einem gemeinsamen und umfassenden Sicher-heitsmodell für Europa im 21. Jahrhundert und unter Berücksichtigung der Beschlüsse des Lissabonner Gipfels betreffend eine Europäische Sicherheitscharta werden die NATO und Russland eine möglichst umfassende Zusammenarbeit unter den Teilnehmerstaaten der OSZE mit dem Ziel anstreben, in Europa einen gemeinsamen Sicherheits- und Stabilitätsraum ohne Trennlinien oder Einflusssphären zu schaffen, die die Souveränität irgendeines Staates ein-schränken. Die NATO und Russland gehen von der Voraussetzung aus, dass das gemeinsame Ziel der Stärkung von Sicherheit und Stabilität im euro-atlantischen Raum zum Nutzen aller Staa-ten eine Antwort auf neue Risiken und Herausforderungen erfordert, wie z.B. aggressiven Nationalismus, die Verbreitung nuklearer, biologischer und chemischer Waffen, Terrorismus, die systematische Verletzung der Menschenrechte und der Rechte von Personen, die nationalen Minderheiten angehören, sowie ungelöste Gebietsstreitigkeiten, die eine Bedrohung für unser aller Frieden, Wohlstand und Stabilität darstellen. Diese Akte ist nicht so auszulegen, als berühre sie die Hauptverantwortung des VN-Sicherheitsrats für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit oder die Rolle der OSZE als der alle einschliessenden und umfassenden Organisation für Konsultationen, Entscheidungsprozesse und Zusammenarbeit in ihrem Raum und als regionale Abmachung nach Kapitel VIII der Charta der Vereinten Nationen. Bei der Umsetzung dieser Akte werden die NATO und Russland ihre Verpflichtungen nach dem Völkerrecht und aus internationalen Übereinkünften, einschliesslich der Verpflichtungen aus der Charta der Vereinten Nationen und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sowie der Schlussakte von Helsinki und der späteren OSZE-Dokumente, darunter der Charta von Paris und der auf dem Lissabonner OSZE-Gipfel angenommenen Dokumente, gewissen-haft einhalten. Zur Verwirklichung der Ziele dieser Akte verpflichten sich die NATO und Russland gemeinsam dazu, ihre Beziehungen an folgenden Grundsätzen auszurichten:
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Zur Umsetzung der Aktivitäten und Ziele dieser Akte und zur Entwicklung gemein-samer Ansätze bei europäischen Sicherheitsproblemen und politischen Fragen werden die NATO und Russland den Ständigen Gemeinsamen NATO - Russland - Rat einrichten. Hauptaufgabe dieses Ständigen Gemeinsamen Rates wird es sein, immer mehr Vertrauen zu bilden, einheitliche Ziele zu formulieren und die Praxis ständiger Konsultation und Zusammenarbeit zwischen der NATO und Russ-land zu entwickeln, um die Sicherheit der jeweils anderen Seite und die aller Staaten im euro-atlantischen Raum zu verbessern, ohne die Sicherheit eines Staates zu beein-trächtigen. Im Falle von Meinungsverschiedenheiten werden die NATO und Russland sich bemühen, diese auf der Grundlage des Prinzips des guten Willens und des gegenseitigen Respekts im Rahmen politischer Konsultationen beizulegen.
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Beim Ausbau ihrer Beziehungen werden sich die NATO und Russland auf konkrete Bereiche von beiderseitigem Interesse konzentrieren. In folgenden Bereichen werden sie einander möglichst umfassend konsultieren und sich um Zusammenarbeit bemühen:
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Die NATO und Russland bekräftigen ihren gemeinsamen Wunsch, mehr Stabilität und Sicherheit im euro-atlantischen Raum zu erreichen.
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