NATO Erklärung
des Bundesministers des Auswärtigen<br />Dr. Klaus Kinkel
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IFOR hat die schwierige Aufgabe der militärischen Implementierung der Daytonvereinbarung mit Bravour erfüllt. 33 Staaten haben an der NATO-geführten Operation teilgenommen. Sie haben die elementare Voraussetzung für den Friedensprozess in Bosnien und Herzegowina geschaffen: Sicherheit. Ich danke allen, die zu diesem Erfolg beigetragen haben. Vor allem den Soldaten vor Ort. Sie haben dies unter schwierigsten Bedingungen und mit vorbildlichem Einsatz möglich gemacht.
Das Zusammenwirken von IFOR mit dem hohen Repräsentanten, der OSZE und internationalen Organisationen demonstriert die Tragfähigkeit des Konzepts der sich gegenseitig unterstützenden Organisationen. Die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Russland und anderen nicht NATO-Truppenstellern wirkt als Schrittmacher für unser Konzept für die neue Sicherheitsarchitektur.
Wir haben leider noch keine selbsttragende Stabilität. Deshalb brauchen wir von aussen garantierte Sicherheit. Wir billigen heute den Operationsplan "Joint Guard". SFOR wird die Konsolidierung des Friedensprozesses militärisch absichern. Der Auftrag ist klar: Schaffung eines sicheren Umfeldes und gezielte Unterstützung der zivilen Implementierung. Wichtig ist vor allem die Unterstützung der OSZE bei der Durchführung der Kommunalwahlen und die Implementierung der Abrüstungsvereinbarungen. Wichtig ist auch die Flexibilität bei der Umsetzung des Operationsplans. Wo immer möglich, sollen Aufgaben an zivile Implementierungsträger überge-ben werden.
Wir müssen unseren Blick nach vorne richten - Massstab des Erfolges wird am Ende nicht der labile Friede von heute sondern das Erreichen dauerhafter, selbsttragender Stabilität sein. Eine nüchterne Lageanalyse zeigt, dass es dafür grösster Anstrengungen bedarf:
Die Nationalwahlen haben im September statt-gefunden - die nicht weniger wichtigen Kommunalwahlen stehen noch aus.
Viele Flüchtlinge und Vertriebene sind zurück-gekehrt - mehr als eineinhalb Millionen bleibt dieses Recht vorenthalten.
Das Präsidium und der Ministerrat müssen ihre Fähigkeit zu zielgerichteter Arbeit noch erweisen. Die Bildung anderer gemeinsamer Institutionen steht weiter aus.
Der Aufbau der Föderation wird nach wie vor durch Misstrauen zwischen Bosniaken und Kroaten behindert. Die politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen in der Republika Serpska beunruhigen. Die Isolation nimmt zu.
Die - zu schleppend angelaufene - Wiederaufbauhilfe muss zügig und wirksam zu den Rahmenbedingungen für eine effektive Konsolidierung beitragen.
Nicht zu vergessen: die Situation in Belgrad ist besorgniserregend.
Vor allem das demokratische Prinzipien einschränkende Verhalten der Regierung Milosevic. Erste Reaktionen liegen bereits vor: Der EU-Ministerrat hat am vergangenen Freitag beschlossen, die sogenannten "autonomen Massnahmen" (Handelspräferenzen etc. für Belgrad) weiterhin nicht anzuwenden.
Die NATO hat mit IFOR den Beweis erbracht, dass sie ihre Verantwortung für europäische Sicherheit wahrnimmt. Unsere heutige Entscheidung für SFOR bestätigt das. Die Konsolidierung des Friedensprozesses darf nicht scheitern. Nur enger politischer und militärischer Schulterschluss können dies sicherstellen.
Kriegsverbrecher müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Insbesondere die Herren Mladic und Karadzic. Insbesondere die Verantwortlichen in der Republik Srpska müssen einhalten, was sie im Daytoner Friedensvertrag versprochen haben. Kein Zweifel: das Recht, nicht das Recht des Stärkeren, muss sich durchsetzen. Die Opfer von Kriegsverbrechern fordern Gerechtigkeit. Sie ist Voraussetzung für dauerhafte Befriedung. Wir müssen dazu die ehemaligen Konfliktpartien mit grossem Nachdruck in die Pflicht nehmen. SFOR muss seine - leider begrenzten Möglichkeiten - ausschöpfen und weiter nach Kräften den Internationalen Gerichtshof unterstützen.
Deutschland hat besonderes Interesse an der Befriedung von Bosnien und Herzegowina. 320.000 Flüchtlinge haben in Deutschland zeitweilige Zuflucht gefunden. Ausserdem 130.000 Asylbewerber im wesentlichen aus Kosovo. Wiederaufbau und Rückkehr der Flüchtlinge in ihre Heimat werden ohne militärische Absicherung nicht gelingen.
Deutschland hat einen wichtigen Beitrag zu IFOR geleistet. 3.000 Soldaten werden für SFOR bleiben. An SFOR werden wir mit allen Rechten und Pflichten teilnehmen. Deutsche Kräfte werden integraler Bestandteil des Gesamtkontingentes in Bosnien sein. Ich bin sicher, dass es dafür einen breiten, partei-übergreifenden Konsens im Bundestag geben wird. Es ist sichtbares Zeichen dafür, dass Deutschland seiner Verantwortung im Bündnis ohne Einschränkung, auch mit seinem militärischen Beitrag zu der Friedensoperation in Bosnien und Herzegowina, gerecht wird.